Psychotherapeutische Praxis - Dipl.-Psych. Nils Spitzer
Psychotherapeutische Praxis   -   Dipl.-Psych. Nils Spitzer

Dipl.-Psych; M.A. (Soz. & NDL)

Nils Spitzer

 

Psychotherapeutische Praxis

 

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Ausgeprägte Verantwortungsübernahme

(übertriebene Verantwortlichkeit)

 

 

Übertriebene Verantwortlichkeit, die Neigung für viel zu viel die Verantwortung zu übernehmen, ist ein oft übersehener Grund für psychische Belastungen und Krankheiten. Sie ist daher auch ein wichtiges Thema in einer Psychotherapie.

 

Verantwortung übernehmen

 

Fragen der Verantwortung werden im Alltag häufig gestellt, im Öffentlichen wie im Privaten: Wer ist verantwortlich für den Klimawandel? Wer hat Schuld am Auffahrunfall an der Ampel? Wer muss sich für die überraschende Niederlage gegen den Tabellenletzten verantworten?

 

Fast alle Menschen fühlen sich für die eine oder andere Sache verantwortlich (oder im Rückblick schuldig).  Und das ist nichts Schlechtes, ganz im Gegenteil: Es ist ein Zeichen engagierter Teilhabe an den Dingen, die sich um die eigene Person herum ereignen. Menschen übernehmen Verantwortung, wenn sie halbwegs gründlich den Müll trennen, die Kinder pünktlich zur Kita bringen, dem eigenen Beruf gewissenhaft nachgehen und auf artgerechte Tierhaltung beim Einkauf achten.

 

Sich an Verantwortung übernehmen

 

Aber Verantwortung zu übernehmen ist auch anstrengend. Das zeigt sich schon im Alltag: Veranstalte ich die Party selbst oder komme ich nur und bringe einen Kasten Bier mit? Personen, die sich in der Verantwortung sehen, kann das eigene Engagement schnell über den Kopf wachsen. Sie werden vielleicht sogar krank vor Verantwortung.

 

Verantwortungsübernahme wird zur Überforderung, wenn immer neue Verantwortungsbereiche hinzukommen ... der hohe Posten in der Verwaltung, und dann plötzlich noch die Pflegebedürftigkeit der Eltern. Manchen Menschen opfern sich derart für andere auf, dass sie ihr eigenes Leben dabei vernachlässigen.

 

Übertriebene Verantwortlichkeit

 

Manchmal sind es einfach die Umstände, die ein Zuviel an Verantwortung zusammenbringen: Das kann ein Elternteil mit vielen Kindern betreffen, bei dem plötzlich noch die Eltern pflegebedürftig werden. Aber genauso in Gefahr sind Klimaaktivist:innen, die sich in ihren verantwortungsvollen Aufgaben aufreiben oder Unternehmer:innen, die sich allein in der Pflicht für alle Angestellten eines großen Unternehmens sehen.

 

Nur: Manchmal ballen sich verantwortungsvolle Aufgaben nicht einfach zufällig bei einer bestimmten Person zusammen – sie scheint Verantwortung geradezu magisch anzuziehen. Sie hat innerlich die Neigung, aktiv immer wieder übermäßig verantwortlich zu übernehmen.

 

In der Psychotherapie spricht man hier von einer übertriebenen Verantwortlichkeit. 

Davon betroffene Personen reagieren verantwortlich auf Situationen, die gar nicht in ihrem Zuständigkeitsbereich liegen, sie unternehmen große Anstrengungen, ihrer Verantwortung gerecht zu werden – und sie übersehen oft andere Menschen, die ebenfalls in der Verantwortung stehen. 

Wirklich alles Schiefgegangene ist ihr Fehler, so denken sie im Nachhinein, entsprechend quält sie oft ein intensives Schuldgefühl.

 

Stellen Sie sich vor, Sie bemerken zufällig an einer roten Ampel, dass im Nachbarauto ein kleines Kind ohne Kindersitz transportiert wird. Nicht alle Menschen reagieren bei dieser Beobachtung gleich: Viele denken sich gar nichts bei dieser Beobachtung. Manche denken vage an die Gefahren, die das für das Kind mit sich bringt; wieder andere denken vielleicht, dass das doch verboten ist; aber eine Gruppe denkt noch weiter: Ist es nicht notwendig, hier das Fenster herunterzukurbeln und etwas zu sagen? Muss man selbst nicht eingreifen, wo man es doch nun bemerkt hat? Wird man nicht, wenn man es unterlässt, nicht ebenfalls Schuld an den möglichen Folgen?

 

Krank vor Verantwortung

 

Die Auswirkungen übertriebener Verantwortlichkeit können gravierend sein: Emotional kommt es häufig zu Angst- oder Schuldgefühlen. Auf der Verhaltensebene zeigen sich oft anstrengende Bemühungen, einen befürchteten Schaden zu verhindern, oder eine krampfhafte Gewissenhaftigkeit darin, sich an alle Regeln zu halten.

Fühlt man sich ständig aufgerufen, Verantwortung zu übernehmen, dann treten häufiger Schuldgefühle auf, Betroffene durchdenken die eigene Verantwortung immer wieder oder entschuldigen sich übermäßig im Nachhinein. Macht man jede Alltagsentscheidung zu einer moralischen Gewissensfrage, wird man vor lauter Skrupeln schnell handlungsunfähig und beraubt sich aller Lebensfreude.

 

Auch die Gefahr eines Burnout ist hoch. Menschen mit übertriebener Verantwortlichkeit engagieren sich oft stark und erhöhen so ihr Risiko, sich zu überlasten.

Der Verantwortungsdruck kann sogar derart groß werden, dass er zu psychischen Krankheiten führt. Vor allem die Verbindung zu den Zwangsstörungen ist gut belegt, aber auch beim manchen Depressionen oder Angststörungen spielt eine übertriebene Verantwortlichkeit eine bedeutende Rolle.

 

Eine ausgewogene Verantwortungsübernahme lernen

 

Bei der Psychotherapie übertriebener Verantwortlichkeit geht es darum, einen angemesseneren Sinn für Verantwortung zu entwickeln. Verantwortlich Handeln ist wichtig, aber es kann nicht alles sein. Nicht auf alles Mögliche in der Welt mit einem impulsiven Verantwortungsgefühl zu reagieren, ist ein wichtiger emotionaler Schutzmechanismus, der Menschen davor bewahrt, am Leid und den Ungerechtigkeiten der Welt zugrunde zu gehen.

 

Die eigene Verantwortung muss begrenzt werden, damit nicht die Gefahr von Überlastung entsteht und andere Lebensbereiche vor lauter Verantwortungsübernahme zu kurz kommen. Schließlich sind Moral und Verantwortung nicht um ihrer selbst willen da, sondern für die konkreten Menschen – sie dürfen daher selbst nicht unmenschlich werden, also das normale Leben behindern.

 

Ziel eine Psychotherapie ist eine ausgewogene Verantwortungsübernahme, aber sie ist nicht immer einfach zu erreichen: Sollte ich meinem Sohn noch eine Nachricht in den Urlaub schicken und fragen, ob auch alles gut ist? Oder wäre das aufdringlich? Sollte ich nicht mit einem zweiten Finanzberater über diese Zusatzrente sprechen? Oder besser gleich ein paar Vergleichsportale dazu durchsehen? Oder zeigt das bereits, was für ein Kontrollfreak ich bin? 

 

 

Mehr zum Thema in folgendem Podcast:

"Wie uns unser Verantwortungsgefühl krank machen kann", in: AHA! 10 Minuten Alltagswissen, Podcast der WELT von Wiebke Bolle, 10.8.2023 Anhören

 

 

 

Ein Handbuch für Psychotherapeut:innen und Berater:innen

 

Übertriebene Verantwortllichkeit und psychische Störungen. Behandlungsleitfaden für Psychotherapie und Beratung. Heidelberg/Berlin: Springer Verlag (2023). Ansehen

 

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