Dipl.-Psych; M.A. (Soz. & NDL)
Nils Spitzer
Psychotherapeutische Praxis
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Was ist Perfektionismus?
Perfektionismus ist ein Persönlichkeitszug, der Menschen zu ehrgeizigen Leistungen antreiben kann, oft aber auch psychischen Belastungen nach sich zieht.
Als Perfektionisten gelten Menschen, die extrem hohe Maßstäbe an Handlungen oder Entscheidungen anlegen: Sie müssen auf in der bestmöglichen, ja vollkommenen, auf jeden Fall fehlerfreien Weise ausgeführt beziehungsweise gefällt werden. Gewöhnlich richten sich diese perfektionistischen Ansprüche dabei auf die eigenen Tätigkeiten, aber nicht selten werden diese ehrgeizigen Ansprüche auch an Mitmenschen angelegt: die Arbeitskollegen, die Freunde, die Familie, die Nachbarn, die Medienelite im Fernsehen, nicht selten alle Welt.
Es geht also beim Perfektionismus im Kern um das Streben nach dem Maximalen und Makellosen, danach, die Dinge immer noch besser zu machen als bisher. Es ist als hätten Perfektionisten für ihre besonders wichtigen Lebensbereiche ein athletisches Motto ausgerufen: höher, schneller, weiter – und möglichst fehlerlos. Manche Perfektionisten streben danach nur in wenigen Lebensbereichen, andere machen daraus einen umfassenden Way of life.
Was ist ein klinischer Perfektionismus?
So wird aktuell ein Perfektionsstreben bezeichnet, dass zur Belastung wird. Zu den sehr ehrgeizigen Maßstäben kommen hier noch zwei weitere Elemente hinzu. Klinische Perfektionisten sind Menschen mit folgenden drei Eigenschaften:
Der Teufelskreis des Perfektionismus
Unter den ehrgeizigen Ansprüchen verwandeln sich schnell alle Alltagsaufgaben in brisante Prüfungen für klinische Perfektionisten – sie unterziehen sich einer dauernden Qualitätskontrolle. Jedes Verfehlen der hohen Maßstäbe, egal wie nah man ihm gekommen sein mag, wird häufig unterschiedslos als Versagen bewertet: „Ich bin wirklich ein Versager, eine Niete, ich habe in dem Test nur 92 von 100 Punkten erreicht“. Es war also ein Misserfolg. Peinlichkeit tritt auf, wenn etwas nicht ganz so Wichtiges schief geht, Scham und Schuld, wenn große Sachen daneben gehen. Ziehen Perfektionisten wenigstens Konsequenzen aus wiederholten Misserfolgen und senken dann ihre Maßstäbe, weil sie einfach nicht erreichbar erscheinen? Ganz im Gegenteil: Misserfolge nehmen Perfektionisten schnell als Hinweis, sich noch mehr für die weiterhin hohen Maßstäbe anstrengen zu müssen, während er normalerweise ein Signal für das Senken eigener Ansprüche ist.
Der Teufelskreis der hohen starren Maßstäbe wird in diesem Strudel immer weiter angetrieben – bei Misserfolg werden sie nicht gesenkt:
Zu welchen psychischen Problemen kann es durch Perfektionismus kommen?
Während des täglichen Ringens um das Erfüllen der hohen Maßstäbe herrscht gewöhnlich eine große Sorge, zu versagen, kombiniert mit der extremen Anstrengung, die gesetzten Ansprüche zu erfüllen. Für Perfektionisten ist das Leben ein dauernder Kampf oder eine ständige Prüfung. Kein Wunder, dass eine solche Lebensweise gerade klinischen Perfektionisten das Leben oft schwer macht und mit einer ganzen Reihe von Belastungen zu rechnen ist.
Perfektionisten neigen dazu, sich derart für ihre hohen starren Maßstäbe zu engagieren, dass sie sich schnell überanstrengen und unnötig stark schon an scheinbar unwichtigen Aufgaben erschöpfen. Aber neben die Verausgabung bis zur Erschöpfung tritt noch etwas Anderes: Aufgaben werden von Perfektionisten häufig vorzeitig abgebrochen, lange aufgeschoben oder gar nicht erst angefangen - besonders typisch für Perfektionisten ist dabei das Aufschieben („Prokrastinieren“).
Aber damit nicht genug: Eine kaum noch überschaubare Anzahl von wissenschaftlicher Studien hat inzwischen einen Zusammenhang zwischen Perfektionismus und bedeutenden psychischen Krankheiten nachgewiesen – vor allem Depressionen, Angststörungen, Zwänge und Essstörungen scheinen enge Verbindungen zum Perfektionismus zu pflegen. Psychotherapeuten und Berater begegnen Perfektionismus also bei einer Vielzahl unterschiedlicher Menschen: Jemand mit einer Zwangsstörung kann sich erst von seinen Kontrollen losreißen, wenn er sie wirklich vollkommen und bestimmt fehlerfrei ausgeführt hat. Eine magersüchtige Frau strebt nach einem perfekten Schlankheitsideal und zerfleischt sich selbst und ihre scheinbare Disziplinlosigkeit, wenn sie es nicht erreicht. Ein schon mehrfach als Querulant angeeckter Mensch kann wieder einmal nicht begreifen, warum diese Welt derart angefüllt ist mit rücksichtslosen Egoisten, Temposündern und Faulenzern - wo es doch so einfach wäre, es mit ein bisschen Anstrengung und Aufmerksamkeit besser zu machen.
Abhilfe bei Perfektionismus
Um den eigenen Perfektionismus zu verändern, stellen sich gleich mehrere Aufgaben: Die starren Ansprüche und Forderungen an sich und andere Menschen flexibler gestalten; den eigenen Selbstwert unabhängiger von Erfolg oder Misserfolg in perfektionistischen Lebensbereichen machen; und vielleicht sogar die eigenen sehr hohen Maßstäbe auf ein realistisches und erreichbares Maß senken.
Sicherlich lohnt es sich zuerst, zur Selbsthilfe zu greifen und mithilfe eines Ratgebers sich selbstständig an die Veränderung des eigenen Perfektionismus zu machen. Steht er in Verbindung zu einer belastenden psychischen Krankheit wie einer Depression oder einer Zwangsstörung, dann ist es sinnvoll, sich die Unterstützung einer Psychotherapie zu holen.
Mehr zum Thema in "Report Psychologie", März 2017
Ein Ratgeber für Perfektionisten
Perfektionismus überwinden. Müßiggang statt Selbstoptimierung. Heidelberg/Berlin: Springer Verlag. Ansehen
Ein Handbuch für Psychotherapeuten und Berater
Perfektionismus und seine vielfältigen psychischen Folgen. Ein Leitfaden für Psychotherapie und Beratung. Heidelberg/Berlin: Springer Verlag. Ansehen