Psychotherapeutische Praxis - Dipl.-Psych. Nils Spitzer
Psychotherapeutische Praxis   -   Dipl.-Psych. Nils Spitzer

Dipl.-Psych; M.A. (Soz. & NDL)

Nils Spitzer

 

Psychotherapeutische Praxis

 

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Verhaltenstherapie (VT)

 

 

Die Verhaltenstherapie hat nicht nur ihre Wirksamkeit bei vielen psychischen Krankheiten wissenschaftlich nachgewiesen, sondern sie blickt inzwischen auch auf 100 Jahre Geschichte mit immer neuen Entwicklungen zurück. Moderne Verhaltenstherapie ist daher heute eher die Überschrift für eine ganze Familie von unterschiedlichen Behandlungsmethoden und Denkweisen in der Psychotherapie.

 

Das frühe 20. Jahrhundert – der Behaviorismus

 

Die frühe Verhaltenstherapie basiert auf dem Behaviorismus - einer Psychologie, die das Wesentliche des Menschen in seinem Handeln sieht („to behave“, engl. für „sich verhalten“). Der Mensch ist vor allem, was er tut: An einer Angstreaktion ist z.B. besonders das Vermeidungs- oder Fluchtverhalten wichtig, weniger wie sich die Angst „im Inneren“ genau anfühlt. Welche Umweltbedingungen lenken das menschliche Verhalten (oft ziemlich unbemerkt)? Und durch welche Lernprozesse lässt es sich verändern? Das waren die Kernfragen des Behaviorismus.

 

Der Behaviorismus erlebte vor allem in den USA einen steilen Aufstieg: Mit John B. Watson (Foto) begann er die amerikanische Psychologie zu dominieren. Sein Manifest Psychology as the Behaviorist Views It machte ihn und den Behaviorismus derart schnell populär, dass er schon zwei Jahre nach dem Erscheinen, 1915, zum Präsidenten der American Psychological Association (APA) gewählt wurde. Der Behaviorismus beherrschte fortan Gedankenwelt und Forschung der angloamerikanischen Psychologie zwischen 1920 und 1960.

 

Nach dem ersten Weltkrieg kam es zu einem gewaltigen gesellschaftlichen Umbruch - von der viktorianischen Ära oder in Deutschland dem wilhelminischen Kaiserreich hin zu einer modernen wissenschaftlich geprägten Dienstleistungsgesellschaft. Und der Behaviorismus war die moderne revolutionäre Psychologie für diese gesellschaftlichen Wandel: Er wollte das Verhalten des Menschen endlich unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten beobachten und ihn von den rührseligen Familiendramen und romantischen Gefühlsergüsse der vormodernen Zeit befreien. Man hatte nun Autos und Toaster, Wolkenkratzer und eben auch eine neue Psychologie, die sich mit dem am Menschen beschäftigen sollte, das alle sehen können – dem Verhalten.

 

Um es mit einer Fußballerweisheit zu sagen: „Wichtig ist auf`m Platz“ … das konkrete Benehmen in der Gegenwart.

 

Manche Historiker sehen im Behaviorismus „die amerikanische Revolution”: Wie die etwa zeitgleich stattfindenden kommunistischen Experimente in Europa war er ein radikaler Versuch mit einem neuen Menschen- und Weltbild. Die Behavioristen waren Optimisten, die glaubten, man könne das Leben zum Besseren verändern, wenn man die Welt nur von den hinderlichen Lebensbedingungen – Armut, Rassismus, Ungerechtigkeit –, die das menschliche Verhalten auf eine sehr unglückliche Weise steuern, befreien würde. Die Behavioristen interessierte daher vor allem das Verhalten der normalen Bürger in ihrem Alltag, nicht so sehr das Verhalten bei psychischen Krankheiten – und so dauerte es vom Behaviorismus bis zur Verhaltenstherapie noch einige Jahrzehnte.

 

Es ist gegenwärtig üblich, die Entwicklung der Verhaltenstherapie in drei Phasen oder Wellen aufzuteilen:

  1. Die erste Welle: Es ist die behavioristische Phase oder die Phase der klassischen Verhaltenstherapie.
  2. Die zweite Welle: Es ist die Phase nach der sogenannten kognitiven Wende
  3. Die dritte Welle:  Es ist eine Phase neuer Entwicklungen seit den 1990er Jahren, für die Stichworte wie Achtsamkeit und Akzeptanz stehen. Sie ist noch nicht abgeschlossen.

 

Seit den 1940er Jahren - die erste Welle der Verhaltenstherapie

 

Das Quälendste an psychischen Krankheiten zeigt sich oft ebenfalls im Verhalten: Von starken Ängsten Betroffene vermeiden oft viele Lebenssituationen, Depressiven fehlt jeder Antrieb und sie stehen schlimmstenfalls morgens gar nicht mehr auf, von Zwängen Heimgesuchte verbringen viele Stunden mit Kontroll- oder Waschhandlungen und bei Essstörungen vergeht viel Lebenszeit mit Diätverhalten. Pioniere wie Orval Hobart Mowrer in den 1940er Jahren und Joseph Wolpe in den 1950er Jahren übersetzten daher den Behaviorismus in eine Psychotherapie – die klassische Verhaltenstherapie. Sie war praktisch, relativ kurz – und erfolgreich: Kein Wunder, dass sie besonders die amerikanische Psychotherapie bis in die 1970er Jahre bestimmte.

 

Verhaltenstherapeuten denken ein wenig wie Chirurgen: Um einen Knochenbruch zu heilen, ist es vor allem wichtig, die Details der Bruchstelle genau zu kennen, vielleicht eine Röntgenaufnahme zu machen. Aber ob man sich aber das Bein bei einem Verkehrsunfall oder einem Sturz im Treppenhaus zugezogen hat, wo er also „herkommt“, das ist für die Heilung nicht von Bedeutung. Übertragen auf das belastende Verhalten bei psychischen Krankheiten klingt das so: Es ist vielleicht nicht ganz unwichtig zum Beispiel eine quälende Angst vor Krankheiten bis in die Kindheit zurückzuverfolgen, sich zu fragen, ob nicht der Vater schon ähnlich ängstlich war. Aber … ist es für eine Veränderung nicht noch wichtiger, sich zu fragen, warum die eigene Angst manchmal nach vielen Jahrzehnten immer noch da ist? Was sie also aktuell aufrecht erhält? Dies sind die Fragen, die sich die Verhaltenstherapie stellt – sie sucht nach den Faktoren, die das belastende Verhalten in der Gegenwart aufrechterhalten.

 

Bei einer sozialen Phobie kommt es z.B. bei einer anstehenden mündlichen Prüfung (Auslösesituation) zu Angst und Vermeide- oder Aufschiebeverhalten, das selbst nun wieder durch ein Nachlassen der Angst belohnt und verstärkt wird. So wird die Phobie täglich neu trainiert. Um dies zu verändern hat die Verhaltenstherapie selbst oft das Aussehen eines Trainings, um eine gesündere Reaktion aufzubauen. Das ist vielleicht die auffälligste Besonderheit der Verhaltenstherapie: Sie ist immer auch ein wirklich konkretes und praktisches „Training“.

 

Seit den 1970er Jahren - die zweite Welle der Verhaltenstherapie

 

Die Welt drehte sich inzwischen weiter: Bereits seit dem zweiten Weltkrieg war es zu einem erneuten großen Umbruch gekommen durch die Theorien der Informationsverarbeitung und ihre zentrale Maschine – den Computer. Während des zweiten Weltkriegs entwickelten Mathematiker und Ingenieure erstmals verschiedene Informationsverarbeitungs-Maschinen („Computer“), die z.B. zur Radarüberwachung eingesetzt wurden. Der Forscher Alan Turing hatte bereits 1936 die These aufgestellt, dass alle menschlichen Rechenoperationen auch von Maschinen durchgeführt werden können - und er warf bei seiner Arbeit zwei Fragen auf, die ein neues Menschenbild mit sich bringen sollten: „Können Maschinen denken?“ und „Denken Menschen so, wie Maschinen Informationen verarbeiten?“ Man begann, sich den menschlichen Geist wie einen großen Computer vorzustellen.

 

Von dieser neuen Computermetapher des Geistes angeregt kam es auch in der Psychotherapie zu einer erneuten Beschäftigung mit dem Denken des Menschen. Nach diesen neuen Entwicklungen waren es nicht mehr die Umweltbedingungen allein, die das Verhalten bestimmten, sondern es waren die Denkmuster eines Menschen - die „Brille, durch die er die Welt sieht“. Der Mensch orientiert sich in der Welt sozusagen an einer inneren gedanklichen Landkarte – und Probleme bis zu psychischen Krankheiten entstehen dort, wo diese kognitive Landkarte die Außenwelt nicht mehr akkurat abbildet: Bei Angst- und Zwangsstörungen werden z.B. Gefahren überschätzt, bei einer Depression der Selbstwert klein geredet, bei Essstörungen ein extremes Schlankheitsideal gedanklich überbewertet.

 

Solche Gedanken oder Denkmuster werden in der Psychotherapie Kognitionen genannt. Zwischen 1955 und 1965 kommt es zum beschriebenen Umbruch in der Psychotherapie – er wird heute kognitive Wende genannt. Sie ist so erfolgreich, dass sie seit den 1970er Jahren die Verhaltenstherapie grundlegend umformt, die sich nun ebenfalls mit den belastenden Kognitionen von Menschen beschäftigt. Bis heute gilt: Die aktuelle Verhaltenstherapie ist durchgängig Kognitive Verhaltenstherapie - eine Kombination der ersten und zweiten Welle der Verhaltenstherapie.

 

Über die beiden einflussreichsten Vertreter der kognitiven Wende, die Rational-Emotive Verhaltenstherapie (REVT) und die Kognitive Therapie (KT) können Sie sich auf diesen Seiten noch näher informieren.

 

Seit den 1990er Jahren - die dritte Welle der Verhaltenstherapie

 

Seit ca. zwei Jahrzehnten ist eine weitere Veränderung der Verhaltenstherapie zu beobachten, die aktuell noch nicht abgeschlossen ist: Getragen wird sie von einer ganzen Gruppe kleinerer  Therapie-AGs, die mit ihrem progressiven Gedanken die kognitive Verhaltenstherapie erweitern und ergänzen. Sie tragen auf den ersten Blick manchmal recht rätselhafte und exotische Namen wie ACT (Akzeptanz- und Commitment-Therapie), MCT (Metakognitive Therapie) oder FAP (Funktional-Analytische Psychotherapie).

 

Am populärsten sind sicherlich die Schlagworte Akzeptanz und Achtsamkeit – sie weisen auf die aktuelle Beschäftigung mit buddhistischem Gedankengut in der Verhaltenstherapie. Manche Verhaltenstherapeuten sehen im Paradigma der Akzeptanz sogar das Charakteristikum der Dritten Welle der Verhaltenstherapie schlechthin. Was hat es damit auf sich?

 

Bisher hat sich die Verhaltenstherapie allein mit der Veränderung beschäftigt – belastende Verhaltensweisen und unangemessene Denkmuster sollten verändert werden, um psychische Krankheiten hinter sich zu lassen. Akzeptanz erinnert nun daran, dass es sich für die Gesundung ebenfalls lohnt, negative innere Erfahrungen ertragen zu können – denn oft sind sie ein normaler Teil des menschlichen Lebens und keine zu bekämpfende Krankheit. Probleme entstehen manchmal gerade, wenn ein solches negatives Erleben nicht akzeptiert, sondern bekämpft wird. Der veränderungsorientierte Ansatz der Verhaltenstherapie ist einseitig ohne die Ergänzung durch Akzeptanz. Auch die damit verwandte Achtsamkeit zielt auf eine Veränderung der Haltung gegenüber Erfahrungen: Man ist aufmerksam im gegenwärtigen Moment, ohne darüber Urteile zu fällen – Menschen lernen, ihre Gedanken, Gefühle und die Umgebung behutsam wahrzunehmen und das Erlebte mit einer offenen neugierigen Haltung zu akzeptieren. Manchmal ist dies die einzige Haltung, um sich z.B. mit chronischen Schmerzen und anderen Umständen, die sich einfach nicht änder lassen, gesund einzurichten.

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